«Qualitätsverbesserung hört nie auf»

Mit dem Buch «Qualität ist kein Zufall - Weissbuch Qualität Allgemeine Innere Medizin» legt die Qualitätskommission der SGAIM eine kompakte Anleitung vor, die Ärzt:innen bei der Umsetzung konkreter Qualitätsmassnahmen unterstützt. Herausgeberin des Werks, Prof. Dr. med. et phil. Maria Wertli erklärt im Interview, warum ein gemeinsames Verständnis von Qualität entscheidend ist – und weshalb echte Verbesserungen nur mit mehr Vertrauen im Gesundheitssystem gelingen.

Was hat Sie dazu inspiriert, das Weissbuch Qualität in der Allgemeinen Inneren Medizin zu schreiben?

Im Rahmen der SGAIM-Strategie 2020-2025 hat die Qualitätskommission der SGAIM mögliche Massnahmen zur Qualitätsverbesserung in der Behandlung von Patient:innen diskutiert. Wir stellten dabei fest, dass viele Konzepte sehr abstrakt sind und es auch unterschiedliche Auffassungen von Qualität gibt. Während der Erarbeitung von verschiedenen Ressourcen für Fachärzt:innen in der Allgemeinen Inneren Medizin (AIM) wurde uns bewusst, wie wichtig ein gemeinsames Verständnis ist, um Projekte zur Qualitätsverbesserung erfolgreich zu planen und umzusetzen. Zudem helfen Anwendungsbeispiele bei der konkreten Umsetzung im Alltag.

 

Bisher gibt es in der Schweiz noch keine kompakte Übersicht der wichtigsten Aspekte der Qualität in der Medizin. Mitglieder der Qualitätskommission sowie externe Autor:innen haben eine solche erarbeitet. Es war uns sehr wichtig, dass eine Anleitung entsteht, die Ärzt:innen in der Praxis und im Spital einen tatsächlichen Mehrwert bietet. Einerseits macht das neue Werk die theoretischen Konzepte kompakt zugänglich. Andererseits zeigt es mit Praxisbeispielen auf, wie konkrete Qualitätsverbesserungsmassnahmen festgelegt, umgesetzt und gemessen werden können.

 

Welche Kernbotschaft möchten Sie damit vermitteln?

Viele Ärzt:innen erbringen bereits heute qualitativ hochwertige Behandlungen von Patient:innen. Die Qualitätskommission möchte die Ärzt:innen inspirieren, sich mit dem wichtigen Thema der Qualität zu befassen, und sie dazu motivieren, sich mit Massnahmen zur Qualitätsverbesserung auseinanderzusetzen und diese im Alltag einzusetzen. Qualitätsverbesserung hört nie auf, es ist ein laufender Zyklus, sich ständig weiterzuentwickeln.

 

An wen richtet sich dieses Buch?

Das Weissbuch Qualität Allgemeine Innere Medizin richtet sich hauptsächlich an Fachärzt:innen für Allgemeine Innere Medizin, die im ambulanten oder im stationären Bereich tätig sind. Grundsätzlich ist das Buch aber für alle an Themen der Qualität sowie Qualitätverbesserung interessierten Ärzt:innen, Gesundheitsfachleuten und anderen Berufsgruppen eine inspirierende Quelle, um sich mit dem wichtigen Thema Qualitätsmanagement zu befassen.

 

Welche Herausforderungen sehen Sie aktuell in der Qualitätsentwicklung in der AIM?

Problematisch ist das fehlende Vertrauen zwischen den verschiedenen Parteien; den Behörden, den Versicherungen und den Leistungserbringern. Dies führt dazu, dass aktuell ein Regelwerk zur Kontrolle entwickelt wird, das keine Qualitätsverbesserung erbringen wird, aber einen massiven administrativen Aufwand und Kosten generiert. Grundsätzlich ist die Stossrichtung des Qualitätsgesetzes richtig, und es gibt viele positive Beispiele, wie es funktionieren könnte. Leider zeichnet sich aktuell jedoch keine positive Entwicklung ab.

 

Wie können diese Herausforderungen aus Ihrer Sicht gemeistert werden?

Die Parteien müssen aufeinander zugehen und Wege finden, wie wieder Vertrauen geschaffen werden kann. Alle sprechen von Just Culture. Während diese in der Medizin eine sehr hohe Relevanz hat, wäre sie auch für andere Berufsgruppen oder Organisationen, die im Gesundheitswesen agieren, ein wichtiges Konzept.

 

Gibt es ein Beispiel aus der Praxis, das zeigt, wie gezielte Massnahmen zur Qualitätssteigerung im Anschluss einen spürbaren Unterschied gemacht haben?

Verschiedene Studien haben aufgezeigt, dass mit geeigneten Massnahmen zur Qualitätsverbesserung messbare und nachhaltige Verbesserungen erreicht werden können. Diese sollten auf dem wirklichen Bedarf basieren. So sind die Probleme regional unterschiedlich und nicht in jedem Kanton machen die gleichen Massnahmen Sinn.

 

Wie können Ärztinnen und Ärzte von den im Buch vorgestellten Konzepten konkret profitieren?

Im Weissbuch finden sich alle Grundlagen und Konzepte der Qualitätsverbesserung von der Analyse, über die Strategieplanung bis zur Umsetzung und Evaluation. Als E-Book ist es online jederzeit kostenlos zugänglich. Es finden sich aktive Verlinkungen zu Materialien auf der SGAIM-Website, die weiterführende Unterstützung bieten. Wir hoffen, damit unseren Mitgliedern wertvolle Unterstützung im Alltag zu liefern.

 

Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten zukünftigen Entwicklungen im Bereich Qualitätsmanagement in der Medizin?

Es ist sehr wichtig, dass wir Ärztinnen und Ärzte durch einen proaktiven Ansatz die Kontrolle über unsere Daten und unsere Arbeit behalten. Dies wird uns helfen, in eigener Initiative die Weiterentwicklung in der Medizin zu gestalten. Wir sollten uns damit auch dagegen wehren, dass der KVG-Qualitätsartikel zu einer reinen Kostenreduktionsaktion wird.

 

Und zu guter Letzt: Wann erscheint das Buch und wo kann ich es bestellen?

Das E-Book wird auf der Website der SGAIM ab 21. Mai 2025 publiziert. Der Download des elektronischen Werks ist kostenlos. Wer lieber ein Buch in Händen halten möchte, kann dieses am SGAIM Frühjahrskongress vor Ort kaufen. Mitglieder der SGAIM erhalten das gedruckte Buch zum Vorzugspreis von 20 Franken, Nichtmitglieder bezahlen 30 Franken. Das Buch kann auch direkt beim Verlag Hogrefe bestellt werden.

 

 

Zur Person

Prof. Dr. med. et phil. Maria Wertli leitet seit März 2019 die Qualitätskommission der SGAIM. Seit 2025 ist sie auch Vorstandsmitglied der SGAIM. Seit 2022 leitet sie als Chefärztin und Direktorin das Departement Innere Medizin und ist Mitglied der Geschäftsleitung am Kantonsspital Baden. Sie ist spezialisiert auf Innere Medizin und Schmerzforschung, insbesondere auf den Einsatz von Schmerzmedikamenten und deren Einfluss auf Gesundheitssysteme und Patientenversorgung.