
20 – Mangelernährung
Die SGAIM ist seit dem Frühling 2025 in der Arbeitsgruppe DRG und Ernährung vertreten. Diese Arbeitsgruppe entstand aus der Zusammenarbeit der GESKES Gesellschaft für Ernährungsmedizin und Metabolismus Schweiz und SVDE Schweizerischer Verband der Ernährungsberater/innen.
Leichte bis schwere Energie- und Eiweissmangelernährung
Unbeabsichtigter Gewichtsverlust bei chronischen und akuten Erkrankungen ist als negativer prognostischer Faktor fest etabliert. Klinisch ist es wichtig, eine Mangelernährung zu erfassen und zu behandeln, um so die 30-Tages-Mortalität, resp. Mortalität nach 6 Montagen, signifikant zu senken[1]. Dieser Benefit tritt bereits auch für den kurzen Zeitraum einer Hospitalisation auf. Für die Diagnosestellung braucht es ein Nutrition Risk Screening (NRS), vorzugsweise innerhalb von 24-48h nach Spitaleintritt[2].
Klinisch werden zunehmend die GLIM-Kriterien[3] verwendet. Diese Kriterien sind jedoch nicht relevant im DRG-System.
Die Energie- und Eiweissmangelernährung kann man mit folgenden Kodes nach Stadium abbilden:
- E44.1 Leichte Energie- und Eiweißmangelernährung
- E44.0 Mäßige Energie- und Eiweißmangelernährung
- E43 Erhebliche Energie- und Eiweißmangelernährung
- E46 Nicht näher bezeichnete Energie- und Eiweißmangelernährung
Die Schweregradeinteilung des Mangels erfolgt mit dem NRS:
Grad der Verschlechterung des Ernährungszustands |
| 1 | 2 | 3 |
NRS-Gesamtscore[4] | ≥ 5 | E44.1 | E44.0 | E43 |
| 4 | E44.1 | E44.0 | E44.0 |
| 3 | E44.1 | E44.1 | E44.1 |
Die mässige und schwere Mangelernährung E44.0 und E43 sind aktuell DRG-relevant. Die mässige weist einen CCL-Wert von 1-2 auf, die schwere hat einen CCL-Wert von 2. E46 und E44.1 ist nicht DRG-relevant.
E46 wird in der Kodierung verwendet, wenn die Kriterien zur Abbildung der spezifischen Mangelernährung nicht erfüllt werden. Die Kriterien für E43 ist die Durchführung der (multimodalen) Ernährungsberatung mit mind. 2 dokumentierten Interventionen der ERB[5]. Die Kriterien für E44.0/E44.1 ist die (multimodale) Ernährungsberatung oder/und enterale/parenterale Ernährung.
Kachexie
Es gibt international keine einheitliche medizinische Definition: Die Kachexie beschreibt im klinischen Alltag ein Erscheinungsbild und wird als multifaktorielles Syndrom charakterisiert, das mit ungewollter Abnahme von Körpergewicht, Fett- und insbesondere Muskelmasse, Müdigkeit, Schwäche, Appetitverlust bei Vorliegen einer gering- bis mittelgradigen Inflammation resp. konsumierenden Grunderkrankung (z. B. Tumorerkrankung, chronische Infektion, Autoimmunerkrankung, Leber-, Nieren-, Herzinsuffizienz etc.) einhergeht.[6]
Nebst den uneinheitlichen und unspezifischen Definitionen der Kachexie überlappen die Symptome mit denjenigen der Sarkopenie und der Mangelernährung.[7]
Die Kachexie beschreibt einen klinischen Zustand mit einem ungewollten Gewichtsverlust von mindestens 5% des Ausganggewichtes innerhalb von mind. 12 Monaten oder einen BMI < 20kg/m2* und ist charakterisiert durch eine schwere muskuläre Atrophie / körperliche Auszehrung.
Die GESKES/SVDE empfiehlt folgende Voraussetzungen für die Kodierung von R64 Kachexie: Dokumentation von Körpergrösse und Trockengewicht[8] und Beeinflussung des Patientenmanagements u.a. mittels ernährungstherapeutischer Interventionen.
Die Kachexie ist DRG-relevant und weist in operativen und medizinischen Partitionen einen CCL-Wert von 2 auf.
Die Kodierrichtlinien geben vor, dass sobald eine Energie- und Eiweissmangelernährung und eine Kachexie dokumentiert sind, nur der E4- Mangelernährungskode verwendet werden sollte (keine Doppelkodierung).
Aufwände der Kachexie können nebst Ernährungsberatung, parenteraler oder enteraler Ernährung auch beispielsweise prophylaktische Massnahmen wie Dekubitus-Screening und Anti-Dekubitus-Matratze sein.
Sarkopenie
Die Sarkopenie wird in der Kodierung mit M62.50 Muskelschwund und -atrophie abgebildet. Die Diagnose hat einen CCL-Wert von 1 in operativen und medizinischen Partitionen. Leider wurde sie in der Version ab 2026 in der CCL-Matrix komplett gestrichen, obwohl wir starke Hinweise darauf haben, dass Fälle mit Sarkopenie in der Nebendiagnose aufwändiger sind, und aktuell nur unzureichend im DRG-System abgebildet sind. Ein Antrag auf Wiederaufnahme wurde deshalb diesen Sommer gestellt. Nicht nur deshalb ist es wichtig, medizinische Diagnosen so genau wie möglich zu stellen, damit sie auch kodiert werden können, und somit das Tarifsystem besser geformt werden kann.
Die GESKES/SVDE empfiehlt folgende Definition der Sarkopenie:
- Screening mit Sarc-F[9] (auffällig bei 4 oder mehr Punkten[10])
- Assessment mit mind. 2 pathologischen Bereichen
- Handkraft < 16 kg (w) / < 27 kg (m)
- Stuhl-Aufsteh-Test mit 5 Erhebungen > 15 sek[11]
- Wadenumfang Messung < 33 cm (w) /< 34 cm (m)
- Ganggeschwindigkeit ≤ 0.8 m/s,
Physiotherapie und/oder Aktivierungstherapie sollte bei verminderter Ganggeschwindigkeit durchgeführt und dokumentiert werden. Zudem sollte die Ernährungsberatung involviert sein und mit folgenden CHOP-Kodes abgebildet werden können:
89.0A.4- Multimodale Ernährungstherapie /89.0A.32 Ernährungsberatung und -therapie
Für die Kodierung sind aktuell die normalen Kodierrichtlinien einzuhalten: ärztlich gestellte Diagnose muss vorhanden sein, sowie ein Aufwand, siehe Blog 03 - Haupt- und Nebendiagnose - SGAIM - SSMIG - SSGIM.
[1] Individualised nutritional support in medical inpatients at nutritional risk: a randomised clinical trial - The Lancet
[2] https://www.med-innocare.ch/files/info/web_Innovations-Doppelseiten%20Kopie.pdf
[3] Diagnostische Kriterien | DGEM
[4] Modifiziert nach Kondrup Guidelines for Nutrition Risk Screening 2002. Clin Nutr (2003); 22(3): 321–336
[5] Kodierhandbuch ab Seite 129 https://dam-api.bfs.admin.ch/hub/api/dam/assets/32326842/master
[6] Cachexia Research Insights 2025 - SCWD Society On Sarcopenia, Cachexia And Wasting Disorders
[7] ernaehrungsforschung-1-effort-endokrinologie-medizin-ksa.pdf
[8] Gewicht ohne Ödeme/Aszites. Aszitesvolumen: Bestimmung erfolgt entweder sonografisch/ computertomografisch oder Körpergewicht minus ab-gelassenes Aszitesvolumen.
[9] NutriScreen - Screenings - SARC-F
[10] Diagnostik und Therapie der Sarkopenie und sarkopenen Adipositas – Deutsches Ärzteblatt
[11] 1. In der Mitte eines Stuhls sitzen.
2. Hände auf der Gegenseite auf Höhe des Handgelenks kreuzen.
3. Füsse flach auf dem Boden.
4. Gerader Rücken, Arme gehen die Brust.
5. Beim Start, Erheben in stehende Position, dann wieder absitzen.
6. Während 15 Sekunden 5 x Aufstehen als Cut-off durchführen.